Kulturen des frühen östlichen Mittelmeerraumes
Beschreibung des Fachbereichs
Dieser Forschungs- und Lehrbereich umfasst den östlichen Mittelmeerraum (Ägäis, Zypern, Anatolien, die Levante und Mesopotamien) vom späten 4. Jahrtausend bis zum frühen 1. Jahrtausend vor Christus. In dieser äußerst spannenden Zeit der Menschheitsgeschichte können wir das Auftreten und die Etablierung früher komplexer Gesellschaften beobachten, einschließlich der ersten erhaltenen Belege für schriftliche Aufzeichnungen v.a. für Verwaltungszwecke.
In diesen Jahrtausenden vollzog sich ein entscheidender Wandel in den sozialen Strukturen und in der Art und Weise, wie Menschen mit ihrer Umgebung interagieren. Außerdem können kontinuierliche und vielfältige Beziehungen zwischen den verschiedenen Regionen im östlichen Mittelmeerraum, sowohl in Bezug auf die materielle Kultur als auch auf die Verbreitung von Ideen beobachtet und beschrieben werden.
Forschungsschwerpunkte
Die Forschungsschwerpunkte des Fachbereichs Kulturen des frühen östlichen Mittelmeerraumes umfassen folgende Bereiche:
- Keramik und Glyptik
- Mensch-Tier-Beziehungen
- rituelle und religiöse Praktiken
- Interaktions- und Austauschnetzwerke
- Sprachen und Kulturen (Sumerisch, Akkadisch, Mykenisch, Anatolisch mit Hethitisch, Luwisch und weiteren anatolischen Sprachen, Hurritisch)
- digitale Archäologie
Aktuelle Forschungsprojekte
Schrift und Sprache der Sideter
Institutsinternes Projekt in Kooperation mit Anadolu Üniversitesi Eskişehir (TR) und Universität Verona (IT)
Projektleitung: Prof. Feriştah Alanyalı (TR)
Mitarbeiter:innen:
Ass. Prof. Dr. Alfredo Rizza
Ass.-Prof. Dr. Christian Zinko
Im Rahmen der archäologischen Ausgrabungen in und um die antike Stadt Side an der türkischen Südküste (Landkreis Manavgat, Bezirk Antalya) arbeitet das Team des Projekts ‟Schrift und Sprache der Sideter” in Kooperation mit der Anadolu Üniversitesi Eskişehir unter der Grabungsleitung von Feriştah Alanyalı an der Aufbereitung und Publikation des sidetischen Inschriftenmaterials.
In Side und in der umgebenden antiken Landschaft Pamphylien ist die ursprüngliche Sprache der einheimischen anatolischen Bevölkerung, das Sidetische, überliefert und durch Textmaterial in einem eigenständigen Schriftsystem dokumentiert ‒ und das trotz des Kontakts und der Wechselwirkung mit Griechen, Aramäern oder Persern im Altertum. Die sidetische Sprache ist im Süden Kleinasien bis ca. in das 2. Jahrhundert v. Chr. belegt und gehört als Teil des anatolischen Zweiges aus genealogischer Sicht zur indogermanischen Sprachfamilie. Innerhalb des anatolischen Sprachzweiges zeigt das Sidetische Merkmale der jungluwischen Sprachen und damit Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit dem Lykischen und Karischen.
Bis zum Jahr 2020 umfasste das sidetische Sprach- und Textmaterial zwei Weihinschriften als bilinguale Texte (Sidetisch–Griechisch) und als monolinguale sidetische Inschriften einen Inschriftenblock, der als ‛Strategenweihung’ bezeichnet wird, einen Block mit sidetischen Personennamen, zwei Bruchstücke und Münzen, die im Museum von Side entweder ausgestellt oder aufbewahrt werden. Eine Stimmtafel in sidetischen Schriftzeichen und mit sidetischen Namen befindet sich im Musée du Louvre. 2010 wurde das Material um eine Stele, die ein Graffito in sidetischen Schriftzeichen enthält, erweitert.
In den Jahren zwischen 2020–2023 wurden in der Stadt Side vier Inschriftensteine, die sidetische Schriftzeichen und sidetisches Sprachmaterial enthalten, neu entdeckt und drei Stimmtafeln aus Bronze, die im Museum von Side aufbewahrt werden, wurden bekannt gemacht. Im Jahr 2023 wurde das neue sidetische Material vom Projektteam anhand von Fotomaterial gesichtet und erstmalig untersucht, im Oktober 2023 konnten Michaela und Christian Zinko dieses Material im Museum von Side bearbeiten und dokumentieren und im Oktober 2024 wurden diese Vorarbeiten vom gesamten Projektteam überprüft und entsprechend adaptiert.
Aktuell wird an der Interpretation der sidetischen Schriftzeichen, der Erstellung einer Grammatik für die sidetische Sprache und der Edition der sidetischen Schriftdenkmäler anhand der Inschriften im Museum von Side gearbeitet.
Späthethitische Götterwelt
Mit Unterstützung der Gerda-Henkel-Stiftung (2023-2024)
Dissertationsprojekt: Tatiana Frühwirt
Lokalpanthea der späthethitischen Staaten: Bestandsaufnahme anhand von hieroglyphen-luwischen und keilschriftlichen Texten
Nach dem Untergang des Hethiterreiches um 1190 v. Chr. entstanden in Anatolien und Syrien mehrere Königreiche, deren Herrscher sich als politische Nachfolger der hethitischen Großkönige verstanden. Ihre Epoche wird in der Forschungsliteratur als „späthethitische Zeit“ bezeichnet. Das Projekt hat zum Ziel, ein möglichst detailliertes Bild der späthethitischen Götterwelt zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt steht die Analyse der Strukturen innerhalb dieser komplexen Götterwelt, insbesondere der lokalen Panthea einzelner Königreiche und Herrscherdynastien. Außerdem sollen Kontinuitäten und Veränderungen in der Götterwelt des hethitischen und späthethitischen Anatoliens identifiziert und erklärt werden. Basis der Untersuchung sind die hieroglyphen-luwischen Inschriften und Götterdarstellungen aus Zentral- und Ostanatolien sowie Nordsyrien, die in die Epoche der späthethitischen Königreiche (frühes 12. – frühes 7. Jahrhundert v. Chr.) datieren.
Zusammenarbeit mit:
- Forschungsprojekt The gods of Anatolia and their names (continuity, importation, interaction): a philological and linguistic approach, coordinated by the Universitat de Barcelona, the Universidad Complutense de Madrid, and the Universidade de Santiago de Compostela. (PID2021-124635NB-C31); aktuelle Publikation: https://www.edicions.ub.edu/ficha.aspx?cod=16586
- Zsolt Simon (https://orcid.org/0000-0002-6839-7070; Universitat de Barcelona)
Erimi-Pitharka Archaeological Project
Auslaufendes institutsinternes Projekt gemeinsam mit AEMS Projekt (LR) mit Cardinal Stefan Wyszynski University, Warsaw (seit 2022)
Projektleitung: Lærke Recht (DK), Katarzyna Zeman-Wisniewska (PL)
Mitarbeiter:innen: Lukas Gran, Marina Schutti, BA BA MA
Von 2022 bis 2024 führte die Universität Graz in Zusammenarbeit mit der Kardinal-Stefan-Wyszynski-Universität in Warschau archäologische Ausgrabungen an der Fundstätte Erimi-Pitharka im Süden Zyperns durch unter der damaligen Leitung des Fachbereichs Lærke Recht durch. Die Stätte wird in die späte Bronzezeit (ca. 1400-1200 v. Chr.) datiert und ist ein regionales Zentrum für Produktion, Lagerung und Verwaltung. Das Projekt zielt darauf ab, die Rolle der Stätte innerhalb des Lokalisierung im Kouris-Tals und die Prozesse des Bauens und Produzierens in der Spätbronzezeit im Kontext des östlichen Mittelmeerraums besser zu verstehen. Derzeit werden Abschlussarbeiten mit Teilnahmen an Grabungskampagnen von Mitarbeiter:innen des Instituts für Antike fertiggestellt.